Nach einer extrem erholsamen Nacht, in einem wahnsinnig gemütlichen Bett, machten wir uns auf den Weg zum Frühstück, von dem in den Rezensionen des Hotels schon geschwärmt worden war. Durch den nächtlichen Regen war es einigermaßen abgekühlt, aber die Luftfeuchtigkeit war enorm gestiegen, so dass erstmal unsere Brillen beschlugen, als wir ins Freie traten. Das Frühstück hielt dann auch was es versprach und wir waren uns einig, dass dies das beste und reichhaltigste Frühstück der bisherigen Reise war. An mehreren „Live-Cooking“ Stationen konnte man verfolgen, wie Eier in verschiedensten Variationen, Banh Mi (Baguettes), Pancakes und Sommerrollen frisch und individuell zubereitet wurden. Insbesondere die frischen tropischen Früchte waren ein wahrer Gaumenschmaus und natürlich in keinster Weise vergleichbar mit den deutschen Importprodukten.

Gut für den Tag gestärkt ging es dann zum Auto, welches uns heute in die Demilitarisierte Zone (DMZ) bringen würde. Vom 22. Juli 1954 bis zum 2. Juli 1976 verlief hier die Trennlinie zwischen dem kommunistisch geprägten Nordvietnam und dem antikommunistisch geprägten Südvietnam. Die Trennung erfolgte nach dem ersten Indochina-Krieg, dem „französischen Krieg„, zwischen der Kolonialmacht Frankreich, welche sich mit dem antikommunistischen Süden verbündete und dem kommunistischen Norden, den „Viet Minh“ bzw. der Demokratischen Republik Vietnam, die die Unabhängigkeit erkämpfen wollten. Der bis heute in Vietnam hochverehrte Ho Chi Minh wurde damals Präsident von Nordvietnam, während der Süden weiterhin als Kaiserreich unter Kaiser Bảo Đại, dem Sohn des Khai Dinh (s. Beitrag von gestern) regiert wurde. Obwohl eigentlich als Demilitarisierte Zone gekennzeichnet, ging der amerikanische Geheimdienst im Januar 1968 davon aus, dass im zweiten Indochinakrieg, dem berüchtigten „amerikanischen Krieg„, bis zu 40.943 Truppen beider Seiten in der DMZ agierten. Von November 1955 bis April 1975 tobte dieser Stellvertreterkrieg des „Kalten Krieges“ zwischen dem kommunistischen Nordvietnam, unterstützt durch China und die Soviet Union, auf der einen Seite und dem antikommunistischen Südvietnam, unterstützt durch die USA und seine Verbündeten auf der anderen Seite. Hier sahen sich die Amerikaner, verglichen mit den klaren Feindverhältnissen aus den beiden Weltkriegen, plötzlich einer völlig neuen Kriegsführung gegenüber. In Südvietnam bildete sich eine Guerillaarmee, der „Viet Cong“ (VC), welcher unter Führung Nordvietnams den Amerikanern das Leben zur Hölle machte. Von dieser Abkürzung stammt übrigens auch die eher abfällig gemeinte Bezeichnung „Charlies“ für die vietnamesischen Militärs, da im NATO-Alphabet die Sprechweise für VC, „Victor, Charlie“ lautet.

Unterwegs fing es wieder an, kräftig zu schütten. Ein Segen fürs Land, denn wie wir auch schon mehrfach in den deutschen Medien gelesen haben, herrscht aktuell in Südostasien eine Hitze- und Dürrewelle. Wir sammelten unsere Fremdenführerin Thach auf dem Weg in die DMZ ein und sie erzählte uns bereits im Auto einige interessante Informationen zur Geschichte Vietnams seit dem zweiten Weltkrieg. Ho Chi Minh war schon vor dem amerikanischen Krieg sehr schlau und entwickelte gute Beziehungen zu den USA. Diese nahmen daraufhin viele seiner Gefolgsleute unter ihre Fittiche und bildeten sie in den USA aus. Als es dann zum Krieg kam, war selbst der militärische Berater der USA in Südvietnam, heimlich ein Viet Cong. Dies war ein großes Problem für die USA, da sie nie wussten, wer Freund oder Feind war und führte zu furchtbarer Grausamkeit gegen die Zivilbevölkerung. Außerdem sahen sich die USA in Vietnam das erste Mal dem Problem gegenüber, dass ihre Kriegsgräuel live im Fernsehen übertragen wurden, wodurch die Antipathie in der lokalen, aber auch internationalen Bevölkerung stetig zunahm und der Viet Cong immer mehr Unterstützung erhielt.

Thach erklärte uns auch, dass die politische Ausrichtung für Ho Chi Minh keine Rolle spielte. Es war ihm egal, ob man an den Kommunismus, Sozialismus, die Demokratie oder sonst was glaubte. Was für ihn zählte, war wie man die Menschen behandelte. Er träumte von einem vereinigten, freien Vietnam, welches er aber leider nicht mehr erlebte. Er starb 1969.

Statue von „Onkel Ho“ mit dem berühmten Zitat, „der Süden in meinem Herzen“

Um den Viet Cong in Südvietnam materiell zu unterstützen, bildete man den sogenannten Ho Chi Minh Pfad, der mitten durch den Dschungel über das Staatsgebiet von Laos, Kambodscha und Vietnam führte. Für einen Soldaten dauerte es 5 Monate über diesen versteckten Weg von Norden nach Süden zu gelangen.

Erster Stopp unserer DMZ-Tour war der Nationalfriedhof Truong Son. Passenderweise hatte es auch aufgehört zu Regnen. Von diesen großen, staatlichen Friedhöfen gibt es insgesamt 5 Stück in Vietnam. Hier liegen die Soldaten aus dem „amerikanischen Krieg“ begraben, deren Leichnam man finden konnte. Ein Problem zu dieser Zeit war, dass die vietnamesischen Soldaten keine „Dog Tags“ trugen und eine Identifizierung so sehr erschwert wurde. Im Gebiet um Truong Son konnten die Leichen tatsächlich sehr früh entdeckt und somit identifiziert werden, so dass hier „nur“ 68 unbekannte Soldaten bestattet sind. Bis heute gibt es viele Familien in Vietnam, die nichts über den Verbleib ihrer Angehörigen wissen. Wenn hier in diesem Gebiet gebaut wird, findet man laut Thach nicht nur Blindgänger wie bei uns, sondern auch immer noch menschliche Überreste aus dem Krieg…

Auch nach Kriegsende verursachten die Bomben und Tretminen der Amerikaner noch sehr viel Leid, da immer wieder Zivilisten durch Blindgänger verletzt wurden. Heute werden die Menschen in dieser Gegend darin unterwiesen, wie man mit Blindgängern umgehen soll, bzw. welche Nummer man anrufen kann, um Hilfe zu erhalten. Thach erzählte uns, dass vor zehn Jahren, als sie mit den DMZ-Touren anfing, noch regelmäßig Explosionen zu hören waren.

Da in Truong Son hauptsächlich Soldaten aus Nordvietnam bestattet sind, ist der Friedhof nach Norden, „mit Blick in die Heimat“, ausgerichtet. Wir lernten zudem, dass man traditionell in Vietnam zweimal beerdigt wird. Das erste Mal außerhalb des Friedhofs. Nach drei Jahren, wenn nur noch Knochen übrig sind (und nach der Vorstellung der Vietnamesen, die Seele gereinigt ist), wird das Skelett wieder ausgegraben, gereinigt und auf dem Friedhof bestattet. Aus diesem Grund sind die Gräber hier sehr klein.

Beim nächsten Halt machten wir einen kurzen Spaziergang über den Ben Hai Fluss. Ursprünglich hatte man geplant, das Land entlang des 17. Breitengrades zu teilen, weil dies eine gerechte Verteilung zwischen Norden und Süden bedeutet hätte. Da man diese Trennlinie aber nicht sehen konnte, verlagerte man die Trennlinie etwas weiter südlich in den Ben Hai Fluss. Entlang dieser natürlichen Grenze bauten die Amerikaner eine stark befestigte Verteidigungslinie. Die eigentlich demilitarisierte Zone wurde zum „No Man’s Land“, in dem durch die Amerikaner alles in Schutt und Asche gebombt wurde. Die Bombenkrater sind hier auch heute noch allgegenwärtig. In einem Museum findet man noch heute Relikte aus dem Krieg.

Bombenkrater
Luftaufnahme des Ben Hai Flusses, drumherum sieht man die ganzen Bombenkrater
Brücke über den Grenzfluss Ben Hai
Ehemalige Grenzmarkierung
Nordvietnamesisches Siegestor
Vinh Moc vor und nach amerikanischer Bombardierung
Amerikanische Ausrüstung
Aus amerikanischen Flugzeugteilen gebauter OP-Tisch
Amerikanischer Pilotenhelm
Amerikanische Blindgänger
Überreste eines amerikanischen Panzers

Zu Beginn versuchten die Menschen sich durch Schutzhütten aus Lehm und Holz zu schützen, was natürlich mehr als insuffizient war.

Nachbildung, Zement wurde nicht verwendet

Die Dörfer, die in der DMZ lagen, flüchteten deshalb in die berühmt-berüchtigten Tunnel, die sie mit bloßer Muskelkraft in den Lehmboden gegraben hatten. Die ersten Tunnel waren in ca. 12 m Tiefe gelegen. Als die Amerikaner aber anfingen, bunkerbrechende Bomben einzusetzen, baute man tiefere Ebenen in bis zu 25 m Tiefe. In diesen Tunnelsystemen lebten durchschnittlich 350 bis 600 Menschen. Kleinere Tiere wie Hunde und Katzen konnten mitgenommen werden, für größere Nutztiere baute man eigene Bunker, denn die Landwirtschaft durfte natürlich auch während des Krieges nicht stillstehen. Die „Schlafzimmer“ in den Tunneln waren immer für zwei Leute ausgelegt. War eine Familie größer, so wurde der Raum L-förmig erweitert, um nicht die Statik zu gefährden. Während heutzutage für uns Touristen alles elektrisch beleuchtet ist, dienten zu Kriegszeiten lediglich Kerzen der Beleuchtung.

Feldarbeit während des Krieges
„Plumpsklo“, gegen den Geruch wurde Asche oder Sand verstreut
Frischwasserspeicher
Versammlungs- und Unterrichtsraum
„Regenrinne“
Schlafraum für Zwei
„Schwarzes Brettfür Tagesnachrichten
Waschraum
Speisekammer, da der Tunnel zeitweise unter Wasser stand, mussten die Lebensmittel hochgelagert werden
versteckter Tunneleingang
Familienzimmer“
„Kreißsaal“

Es ist kaum vorstellbar, wie es gewesen sein muss, dort unten eingepfercht zu leben, zur Schule zu gehen und Kinder zu gebären, während die Bomben die Erde um einen herum zum Wackeln bringen. Nicht zu vergessen, die stetige Gefahr, lebendig verschüttet zu werden. Die Tunnelsysteme zeigen, wie schlau und geschickt die Vietnamesen in vielerlei Hinsicht sind. So baute man sie so ausgerichtet, dass die Eingänge zum Meer und zu den umliegenden Hügeln zeigen. Auf diese Weise wurde gewährleistet, dass trotz mehrfach am Tag wechselnder Winde, eine gute Ventilation der Tunnel stattfand. Da man auch in den Tunneln kochen musste, wurden die Rauchabzüge so gestaltet, dass ein feindliches Flugzeug von oben lediglich Bodennebel vermuten würde, wenn es ein wenig Rauch aufsteigen sehen würde. Die Tunneleingänge, die zum offenen Meer hinzeigten, waren zudem so verwinkelt, dass ein Beschuss durch die vor der Küste kreuzenden Kriegsschiffe sich nicht weit in den Tunnel fortleiten konnte. Vorausgesetzt so ein Eingang wurde überhaupt gesehen, denn in der Regel waren diese unter der Vegetation verborgen. Die befestigten, betonierten Eingänge, die man heute sieht, wurden erst nachträglich angebracht, als man die DMZ vor ein paar Jahren für Touristen öffnete.

„Sein oder Nicht Sein“,
künstlerische Darstellung der Tunnel und ihrer Bedeutung für die Menschen
Abluftschacht, getarnt als Brunnen

Entlang des Ben Hai Flusses lieferte man sich auch zunehmend skurille „Kämpfe“. So ging es zum Beispiel darum, wer die größte und prächtigste Fahnenstange hatte. Außerdem wurden riesige Lautsprecher aufgestellt, durch welche die Feinde mit Musik und Propaganda beschallt wurden. An den beiden Ufern findet man heute jeweils eine Statue. Im Süden eine Mutter mit ihren Kindern, in Gedenken an die Familien, deren Männer in den Norden gingen, um sich dort den Vinh Minh anzuschließen. Am Nordufer findet man die entsprechende Statue des Vaters.

nachträglich befestigter Tunneleingang
Karte des Tunnelsystems von Vinh Moc
Durch Vegetation versteckter Tunneleingang
Riesige Lautsprecher zur Zwangsbeschallung der Feinde
Nordvietnamesische Fahnenstange
Livemusik-Veranstaltungen am Flussufer zur Provokation des Feindes

Der Krieg wurde dennoch nicht rein von Männern ausgetragen. So wurden Frauen zwar nicht zum Militärdienst verpflichtet, kämpften aber häufig freiwillig, um ihr Land zu befreien. Auch die Kinder schlossen sich, nachmittags nach der Schule, häufig den Soldaten an und unterstützten diese.

Frauen an der Front
Kinder an der Front

Nach all den Grausamkeiten, die die Vietnamesen durch andere Nationen erlitten haben, ist es umso erstaunlicher, wie groß die Gastfreundschaft und Herzlichkeit doch ist. So sagte Thach sinngemäß auf die Frage, wie die Beziehung zu Nationen wie Frankreich und den USA heutzutage sind: „Vietnamesen hassen niemanden, wir haben lediglich gelernt und sind vorsichtiger geworden“.

Nach einer ausgiebigen Besichtigung der Tunnel im Dorf Vinh Moc, in dem Dank der Tunnel kein einziger Dorfbewohner durch Bombardements starb, verspeisten wir die riesigen Lunchpakete, die das Hotel für uns zur Verfügung gestellt hatte. Die Bewohner des Dorfes gaben uns Pell-Süßkartoffeln und Yamswurzeln zum Probieren dazu. Da wir eh schon mit den Massen der Lunchpakete kämpften, teilten wir kurzerhand mit den Dorfdamen Salat und Früchte. Wie Thach uns berichtete, war dies für sie das erste Mal, dass sie „gemischten Salat“ aßen. Das merkte man auch daran, dass sie jedes einzelne Salat-, Gurken- oder Möhrenstückchen einzeln aßen. Anschließend setzten wir Thach wieder ab und der Fahrer brachte uns zur Unterkunft zurück. Dabei kollidierte er beim Verlassen einer Tankstelle mit einem Rollerfahrer, was aber außer viel Gehupe und sicherlich einer dicken Beule im Auto, zum Glück keine weiteren Folgen hatte.

Als wir wieder wohlbehalten am Hotel ankamen, machten wir uns erstmal frisch und entspannten dann am Pool. Auch einen Cocktail ließen wir uns in der Poolbar schmecken. So plantschten wir vor uns hin, bis es dunkel und Zeit fürs Abendessen wurde.

Heute aßen wir Lachs mit Pommes und Gemüse, Reisnudeln mit Schwein und Gemüse und zum Nachtisch Maracuja- und Schokoladenmousse und porchierte Birne mit Vanilleeis auf süßer Rotweinsauce. Ein Gedicht 😋 Danach fielen wir kugelrund und sehr geprägt durch das heute Erlebte ins Bett.

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