Naja, 500 Meilen waren es zwar nicht, aber das Wetter trug schon dazu bei, dass unsere trainierten und gut konditionierten Körper (nicht!) sich so anfühlen.
Aber fangen wir von vorne an… Nachdem wir uns gestern eine kleine Auszeit gegönnt haben und verhältnismäßig früh im Bett verschwunden sind, begann der Tag heute um 07:30 Uhr. Die Sonne strahlte schon durch die schweren Gardienen in unsere Gesichter und singalisierte uns, dass der Tag klar, (sehr) warm und schön werden würde.

Um ehrlich zu sein, war ich auch nicht traurig, aufstehen zu dürfen. Und das nicht, weil ich unter seniler Bettflucht leide, sondern weil die Matratze dem Stahlbetonfundament eines Wolkenkratzers glich und weder mein Rücken, noch meine Hüfte das sonderlich gefeiert haben.
Da wir uns gestern Abend gut vorbereitet hatten, konnten wir recht fix zum Frühstück und dort wieder die Aussicht von der Terrasse genießen. Eric hatte sich eigentlich vorgenommen, auf die vietnamesische Art mit Phở (Nudelsuppe mit 🐂 oder 🐓) in den Tag zu starten, aber selbst sein Fetisch für asiatisches Essen konnte ihn nicht davon überzeugen, bei den Temperaturen eine Suppe zu essen. Also starteten wir doch eher auf die gute alte europäische Weise in den Tag.


Nach dem Frühstück huschten wir nochmal schnell aufs Zimmer, um die Wanderschuhe anzuziehen und unsere Sachen abzuholen, um dann im Hotelcafe auf den Taxifahrer zu warten, der jedoch nicht kam. Nach ein paar Anrufen von den Hotelangestellten kam dieser Taxifahrer (oder vielleicht auch ein anderer – man weiß es nicht) dann um uns einzusammeln. Bevor es losging, mussten aber noch ein paar Waren ausgeladen werden, die er für das Hotel mitgebracht hatte. Es ist echt erstaunlich, wie die Menschen hier miteinander leben und sich gegenseitig helfen.
Im Taxi selber konnten wir uns dank Google dann sogar recht gut unterhalten. Wir sprachen auf deutsch mit Google und die vietnamesische Übersetzung wurde direkt abgespielt und der Fahrer machte das halt in die andere Richtung. So hatten wir trotz des kleinen Fehlstarts, eine sehr lustige Taxifahrt und ab sofort einen eigenen Fahrer (es war sein Vorschlag!) für den Rest der Zeit hier.
Mit knackigen 20 Minuten Verspätung kamen wir am Startpunkt an, wo unser Local Guide Su von Sapa Weather Trekking Tours schon auf uns wartete. Sie gehört zum Volk der Schwarzen Hmong und kannte sich deshalb sehr gut mit den offiziellen und eher weniger offiziellen (mehr dazu später 😁) Wegen in den Bergen gut aus.
Wir starteten mit einer kurzen Strecke durch Sa Pa, währenddessen erklärte uns Su schon einiges über die Hmong und wie sie Tür an Tür mit anderen indigenen Völkern, sowie den Vietnamesen lebten und dabei sogar eine völlig unterschiedliche Sprache sprechen. Su selber hat zwar die Schule besucht, kann aber nicht lesen oder schreiben, spricht aber Vietnamesisch, Mien und Englisch. Letzteres hat sie sich autodidakitsch mit Hilfe der Touristen beigebracht.
Als wir Sa Pa langsam hinter uns ließen, wurde uns dann klar, worauf wir uns eingelassen hatten. Vor uns lag ein echt steiler und nur gering befestigter Aufstieg, der insbesondere mich schon nach den ersten 20 Minuten geplättet hat und wir hatten noch ca. sieben Stunden und 15 Kilometer Strecke vor uns. Ganz beiläufig ließ Su dann fallen, dass die Route über 1.800 Höhenmeter geht und in den letzten Tagen immer wieder giftige Schlangen gesehen wurden.


Motiviert von dem, was uns erwarten würde, hielten wir den sehr anstrengenden Aufstieg mit einigen Pausen gut durch. Auf dem Weg nach oben kamen wir an einer Cannabisplantage vorbei. Wie wir erfuhren, werden die Pflanzen nicht für die Herstellung berauschender Substanzen verwendet, sondern aufgrund ihrer Stabilität für die Herstellung von Textilien und anderen Gebrauchsgegenständen (z.B. Körbe). Auch frische Minze und Zitronengras durften wir frisch vom Feld kosten.


Danach ging es immer weiter hoch. Der Schweiß stand, insbesondere mir, auf der Stirn bzw. in der Cap und bildete dort einen kleinen unterirdischen See, der sich immer wieder mal seinen Weg an den undichten Stellen herausbahnte 🙄. Zum Glück war Su sehr verständnisvoll und da wir ohnehin zu Dritt waren, gönnte sie uns häufiger mal kleinere Trinkpausen.


Kurz bevor wir den (im wahrsten Sinne des Wortes) Höhepunkt erreichten, sahen wir schon die ersten Bewohner indigener Völker, die hier über den Sommer wohnen, um die Tiere zu bewachen und Mais anzubauen. Mais wird hier auf den höheren Ebenen gepflanzt, da er zum Einen Futter für die Tiere ist (und sie damit vom Reis fernhält) und zum Anderen wenig Wasser braucht und Nahrung für die Menschen liefert, wenn die Reisernte mal weniger erfolgreich war. Es ist dabei schon erstaunlich, unter welchen Bedingungen die Menschen hier teilweise leben. So wird Regenwasser zum Beispiel auf einer Plane aufgefangen und zum Trinken verwendet.










Die Sonne stand inzwischen an ihrem Höhepunkt und dennoch war es durch die Höhe und den Wind sehr angenehm. Kaum hatten wir uns an das Bergklima gewöhnt und den anstrengenden Aufstieg verkraftet, ging es an den Abstieg. Kurzer Spoiler: Es war jetzt auch nicht das, was man als Wellness für unsere geschundenen Körper und Muskeln bezeichnen würde 😁.





Direkt im ersten Abschnitt gab es wieder eine kurze Lernstunde für die beiden Touris. Thema heute: Herstellung von Indigoblau. Man nehme eine Pflanze aus dem Garten der Anwohner eines Bergpasses, reibe sie bis die Hände schön klebrig sind, schütte dann noch einen Tropfen Wasser dazu und reibe weiter, bis die Hände sich noch klebriger anfühlen. Und siehe da… es wird grün. Jetzt möchte man behaupten, dass grün nicht unbedingt indigoblau ist. Fairer Punkt… dachte ich mir insgeheim auch so. Nun kommt aber die Geheimzutat: Zeit. Man lässt also seine Hände in diesem klebrigen Zustand (man möchte ja auch nicht sein wertvolles Trinkwasser verschwenden) und wartet. Das Warten hat sich gelohnt und schon nach wenigen Minuten fingen unsere Hände an, sich blau zu färben. Fotobeweis (vorher und nachher) 👇.


Su erklärte uns auch, dass die Schwarzen Hmong so zu ihrer Zusatzbezeichnung „schwarz“ gekommen sind, weil über die Jahre der manuellen Indigoherstellung die Arme immer mehr in dem Farbstoff getränkt und somit irgendwann schwarz wurden und der Farbstoff auch nach Jahren noch in der Haut zu sehen war. Nach dieser Aussage sollte man eigentlich stutzig werden, wenn man sich an diesem Selbstexperiment versucht, weil einem gesagt wird, dass die Farbe nach dreimaligem Händewaschen wieder abgeht. Schieben wir es mal auf die Sonne und den Hunger. Wir haben es, wie ihr nun ja wisst, versucht. Ihr werdet überrascht sein, wenn ich Euch sage, dass wir nach mindestens zehn Handwäschen und einer ausgiebigen Dusche, immer noch von den Schwarzen Hmong in Ming (Stammessprache) begrüßt werden🤦🏼😅.


Auf dem weiteren Weg nach unten begegneten wir noch zwei weiteren Hmong-Damen, die uns begleiteten und mit nichts weiter als Badelatschen inkl. Gepäck und Kind auf dem Rücken, den teils doch sehr rutschigen und unebenen Weg hervorragend meisterten. Dagegen sahen wir mit unseren High-End-Wanderschuhen und unzureichender Beinkoordination echt wie richtige Verlierer aus. Su und die beiden Damen halfen uns, wann immer es ging/notwendig war und bastelten uns sogar zwei Pferde aus Bambusgrün (im Laufen!).







Der weitere Abstieg verlief recht reibungslos und mit ein paar Pausen, die wir immer wieder aufgrund des sehr steilen, weichen und dadurch rutschigen Untergrundes, gepaart mit muskulärer Erschöpfung und „Körperklausigkeit“, einfordern mussten. Schließlich stapften wir querfeldein durch die Maisfelder. Nach knappen weiteren 90 Minuten kamen wir in Lao Chai, einer Hmong-Siedlung und der Heimat von Su an. Dort gab es erstmal etwas Stärkung aus der einheimischen Küche, die verdammt gut tat und sehr lecker war.


Nachdem unsere Kraftreserven ausreichend für das Finale der Wanderung aufgefüllt waren, zeigte uns Su die Lebensweise der Hmong und setzte ihre liebevolle Lehrstunde fort. Zuerst zeigte sie uns, wie im Dorf mit Wasser und einem Konstrukt aus Holz die Reiskörner automatisch von der Schale getrennt werden.

Danach wurde die Indigo-Lehrstunde fortsetzt und wir konnten nun sehen, wie die klassischen Gewänder zuerst mit Indigo eingefärbt werden und der Stoff anschließend mit einem Speckstein zum Glänzen gebracht wird.

Wie man aus Mais eine mehlartige Substanz zaubert, die haltbar genug war, um daraus bei Reisknappheit eine Alternativmahlzeit zaubern zu können, zeigte sie uns als nächstes. Wir durften sogar selbst mitmachen 😊.

Danach lud sie uns zu sich nach Hause ein und zeigte uns ihr Haus bzw. das was davon schon steht. Su und ihre Familie konnten leider seit der Pandemie nicht an dem größeren Haus, welches Platz für die gesamte Familie bieten würde, weiterbauen, da ihnen die Mittel einfach fehlen. Bis zur Fertigstellung leben sie daher noch zu fünft in einem kleinen zugigen Holzhaus samt (wie im Dorf üblich) Plumpsklo davor. Gekocht und geheizt (im Winter schneits hier) wird mit offenem Feuer, da Gas viel zu teuer ist.


Damit wir verstehen konnten, wie die getrockneten Cannabispflanzen zu Textilien verarbeitet werden, gab sie uns noch eine kurze Einführung in ihren Webstuhl.

Der letzte Teil der Wanderung führte uns nach Ta Van, einem Dorf, das überwiegend von Giay bewohnt wird. Die Giay sind ein weiteres indigenes Volk mit einer komplett eigenen Sprache. Hier leben also zwei Gruppen direkt nebeneinander und können aufgrund der sprachlichen Unterschiede kein Wort miteinander wechseln. Das hat uns wirklich beeindruckt. Insgesamt ist es doch erstaunlich, wie idyllisch und friedlich das Dorfleben hier doch ist, obwohl so viele Menschen auf engem Raum und (für unsere Verhältnisse) in Armut zusammenleben.



Auf unseren letzten Metern durften wir dann noch das Resultat eines Unfalls sehen, der sich vor rund anderthalb Wochen ereignete. Der LKW auf dem Bild ist wohl beim Zurücksetzen etwas zu weit über den Abhang gefahren und dann rückwärts in das Haus gerutscht. Das bleibt dann vermutlich wohl jetzt erstmal so, denn für den Schaden aufkommen, wird laut Su wahrscheinlich niemand. Zum Glück wurde zumindest niemand verletzt.

Am Ziel der Wanderung angekommen, wartete unser neuer Freund, der Taxifahrer Long, schon auf uns, um zwei völlig verschwitzte, sandige und müde Wesen zurück zum Hotel zu bringen. Da er ja ohnehin schon unterwegs war, lieferte er fix noch drei Kisten Bier in das Hotel. Das nennt man dann wohl Effizienz.
Nachdem wir wieder halbwegs ansehnlich aussahen und nach Mensch rochen, genossen wir noch die letzten Sonnenstrahlen auf der Veranda, bevor es dann erschöpft und total glücklich wieder in das Stahlbetonnest ging.
Sehr schön lasst es euch noch gut gehen . Auf den Muskelkater morgen 😘
Oh mein Gott, Männer…..da habt ihr einen sehr anstrengenden Tag hinter euch und euch die reichhaltigen Mahlzeiten ehrlich verdient. Ihr werdet bestimmt guuuuut schlafen 😴….wenn auch betonhart
Super
Solche aufregenden Abenteuer! 🙂 da verfliegt die Zeit, genießt es 🥰😘